Workshop
am
28. November 2009
in Frankfurt am Main
Dr. Wahl, Richter am LSG Sachsen, erläutert die Entscheidung vom 30.4.2008 (L1 KR 103/07): Das Krankenhaus ist Erbringer, nicht „Beschaffer“ von stationären Leistungen. Das SGB V knüpft die Zulassung (bzw. Versorgungsvertrag) des Krankenhauses an dessen Verantwortung für die Leistungserbringung selbst (vgl. i.d.S. auch BSG v. 22.4.2009), dazu bedarf es einer personellen Mindestausstattung. Zumindest die Kernleistungen muss das Krankenhaus selbst erbringen. Eine Vergütung an Dritte kommt nur für veranlasste Leistungen (konsiliarärztlich) in Betracht, nicht aber für solche ärztliche Leistungen, die von Externern erbracht werden, aber zu den Kernaufgaben des Krankenhauses gehören.
Dr. Stollmann, Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW, verweist exemplarisch auf § 8 KHGG NRW. Danach ist eine Verknüpfung zwischen ambulanter und stationärer Leistungserbringung erwünscht, ggf. durch Kooperationsverträge. Dies sei praktisch sinnvoll, wie sich etwa bei der Leistungserbringung gem. § 116b SGB V zeige. Nur in einem einzigen Landesgesetz, nämlich § 25 Abs. 2 Satz 2 LKHG Brandenburg heißt es, dass außen stehende Ärzte „nur ergänzend“ herangezogen werden können. Aufgabe der Krankenhaus-Aufsicht sei es, darauf zu achten, dass das Krankenhaus das (krankenhaus)spezifische Recht anwendet. Geplant sei ein § 31a KHGG NRW, der im Wesentlichen dem § 31 MBO entspreche und einen krankenhausspezifischen Verbotstatbestand hinsichtlich Zuweisungsentgelten enthalten soll.
RA Prof. Dr. Dahm beschreibt anhand OLG Düsseldorf v. 1.9.2009 (GesR 2009, 605, dazu auch Ratzel GesR 2009, 561), dass jegliche Vorteilsnahme einerseits und Vorteilsgabe andererseits dem Arzt untersagt sei. Das gelte auch für Geschenke etc. (vgl. dazu §§ 33, 34 MBO). Unter (verbotener) Vorteilsgewährung versteht man jede Leistung, auf die der Arzt keinen Anspruch habe. Die Annahme solcher Leistungen erfülle den Tatbestand der Bestechung entsprechend der Entscheidung des BGH zu den WM-Tickets v. 14.10.2008 (NJW 2008, 3580). Er warnt vor Vereinbarungen, die dem Arzt eine Pauschale für eine nahezu wertlose Gegenleistung versprechen bzw. für das Ausfüllen irgendeines Befundbogens, obwohl die angegebenen Befunde sowieso zu übermitteln sind.
RA Schremb entnimmt den allgemeinen Regelungen der GOÄ, dass diese auch für die dort beschriebenen Leistungen Anwendung findet, sofern das Krankenhaus sie vom niedergelassenen Arzt „einkauft“. Die GOÄ beschreibt den „gerechten Preis“ für die dort definierten medizinischen Leistungen. OLG Zweibrücken (v. 10.3.2009 GesR 2009, 415) und auf die Revision ebenso der BGH (Urteil v. 12.11.2009 – II ZR 110/09) meinen, die GOÄ finde keine Anwendung; dies gelte dann auch für Minderungspflicht gem. § 6a GOÄ. Im Übrigen sei – so der BGH – eine Vereinbarung über das Honorar auch mündlich zulässig. Ob dies wirklich im Interesse einer sachgerechten Kooperation ist, kann man – so Schremb – mit guten Gründen bezweifeln.
Aus Sicht eines Patientenvertreters hebt Prof. Dr. Heberlein hervor, dass die seit Jahren beklagten „Sektorengrenzen“ zwischen ambulant und stationär dringend überwunden werden müssen. Aus Patientensicht bedarf es einer möglichst engen Kooperation zwischen Krankenhaus und niedergelassenem Arzt. Unter der Voraussetzung, dass der niedergelassene Arzt ausreichend qualifiziert ist, ist seine Tätigkeit im Krankenhaus durchaus zu begrüßen. Es gilt, die Ressourcen des Krankenhauses zu erhalten und zu stärken. Dies kann durchaus durch die Einbindung niedergelassener Ärzte geschehen, und zwar auch ohne Arbeitsvertrag, also mit Honorarvertrag, d.h. auf selbständiger Basis. Weder die Aspekte der Wirtschaftlichkeit noch der Leistungsfähigkeit stehen dem entgegen. Heberlein betont, dass das SGB V eine solche Kooperation nicht verbietet. Einer ausdrücklichen Erlaubnisnorm bedürfe es nicht, zumal beide Kooperationspartner, also Krankenhaus einerseits und Vertragsarzt andererseits durch ihr Verhalten eine Verantwortung übernehmen. Im Einzelfall kann es den Interessen des Patienten entsprechen, dass ihn „sein“ Vertragsarzt im Krankenhaus weiter behandelt. Unter Umständen werden dadurch Doppeluntersuchungen, die den Patienten belasten können, vermieden.
In der Diskussion betont die Juristin der AOK, dass bei den Kassen Kooperationen zumeist dadurch auffällig geworden sind, dass mindestens eine der Parteien sich damit einen finanziellen Vorteil verschaffen wollte, und zwar zu Lasten der Krankenkasse. Es ging um Behandlungen, die der Vertragsarzt in der eigenen Praxis genauso hätte erbringen können (und müssen), allerdings gegen niedrigeres Honorar. Dies müsse auf Seiten der Krankenkasse den Verdacht eines Fehlverhaltens auslösen und zur Einschaltung des Korruptionsbeauftragten gem. § 197a SGB V führen (mit der Folge einer Anzeige an die Staatsanwaltschaft). Sie plädiert dringend für mehr Transparenz, sprich: nicht nur Aufklärung des Patienten sondern auch eine Abstimmung mit den Kostenträgern, und zwar schon im Stadium der Vertragsgestaltung.
In der weiteren Diskussion ging es dann u.a. um die Frage, wieweit den Partnern eines Kooperationsvertrages Bindungen hinsichtlich der Honorierung aufzulegen sind. In den derzeit laufenden Verhandlungen über einen neuen AOP-Vertrag wird ebenfalls über die Frage diskutiert, ob und in wie weit niedergelassene Ärzte „namens“ des Krankenhauses ambulante Operationen durchführen können. Auffällig ist, dass in einzelnen Krankenhäusern Pflegepersonal tätig ist, welches nicht mit dem Krankenhaus in der Form eines Anstellungsvertrages verbunden ist (z.B. Ordensfrauen). Das müsste dann auch für „Honorarärzte“ gelten. Seit vielen Jahren gibt es hinsichtlich der Nutzung von Großgeräten Kooperationen, die auch von der Rechtsprechung als rechtens akzeptiert wurden. Die Tätigkeit des niedergelassenen Arztes in der Klinik ist jedoch nicht in jedem Fall in den Haftpflichtversicherungsvertrag eingeschlossen. Hier muss der Arzt mit seiner Haftpflichtversicherung Klarheit herbeiführen. Ärztliche Teilnehmer betonten, dass die Kliniken auf das know how der niedergelassenen Ärzte mehr und mehr angewiesen sind. Es gehe nicht um die Verschiebung von Leistungen oder gar Missbrauch oder Umgehung sondern darum, den Anspruch des Patienten auf Behandlung sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich sachgerecht und effektiv zu erfüllen. Es zeichnet sich auch ab, dass immer weniger Mediziner bereit sind, in der Klinik zu arbeiten.
Frankfurt am Main, den 28. Dezember 2009
Rechtsanwalt Prof. Dr. Plagemann
Fachanwalt für Sozialrecht
Fachanwalt für Medizinrecht